Woody Allen

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Con Trai
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Whatever Works – Liebe sich wer kann (2009)
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Eigentlich eine Kombination wie aus dem Bilderbuch, aus dem Lehrbuch, Woody Allen und Larry David vereint, einer hinter der Kamera, einer vor ihr, eine seltene Combo auch, mit Sehenswürdigkeit, mit Exklusivität. In der Kürze liegt die Würze wieder, die 90 min Laufzeit nicht vollgemacht, knapp darunter geblieben, dafür großtönend angefangen, mit Singsang, mit Written and Directed by Woody Allen. David hier nur als Darsteller, nicht selber als Schöpfer, es wird über Karl Marx, über das Judentum, über die Anständigkeit von Menschen diskutiert und debattiert, eine Stammtischrunde, es gibt Kaffee vor dem Straßenrestaurant, es gibt ein Credo hier, Hauptsache: Es funktioniert. Die Vierte Wand wird wieder durchbrochen, der Zuschauer angesprochen, "Wieso wollen Sie überhaupt meine Geschichte hören?", es ist kein angenehmer Zeitgenosse hier, es ist New York im Sommer, es finden sich viele Idioten, einer macht Selbstgespräche, er spricht uns an, er hat viel zu reden, es ist ihm ein Bestreben.

Von der Kindheit wird angefangen, vom Vater und seinem 'Abgang', es wird Kurtz zitiert, "Das Herz der Finsternis", Apocalypse Now, über Suizidale Gedanken, gequält von Erinnerungen und Träumen, David wendet sich der Kamera zu. Um Glück und Verbitterung geht es hier, von einem speziellen Individuum, ein Mann mit Medikamenten, die er nicht einnimmt, und dafür Panikattacken 4 Uhr morgens schiebt. Eine Affäre ist in der Ehe schon gelaufen, die Frau mal fremdgegangen, schon lange her, es war nur Sex. Theoretisch war es ideal, das Leben ist die Praxis, es wird nach Downtown geblickt, wovon soll man leben, wozu soll man leben, warum soll man leben, ein Festbeißen an einem Punkt, dann ein neuer Punkt gefunden, verzerrte Meinungen, aggressive Aktionen, es wird mit Beleidigungen um sich geworfen, radikale Ansichten, dazu ein großes Orchester, ein Geburtstag gefeiert bzw. so getan als ob, zusätzlich eine Obdachlose aufgenommen, für einen Abend eigentlich nur, für 2h geplant, für etwas zum Essen, Vom Winde Verweht das neue Thema hier.

Allen schreibt im Wulst, schreibt sich einen Wolf, eine Dialogkomödie und eine Monologtragödie, er hätte die Hauptfigur auch spielen können, er hat sich aus dem Film bildtechnisch herausgehalten, wie auch aus einigen vorherigen und noch folgenden, anderen Darstellern die Chance zum Scheinen gegeben, gerne eine prominentere Besetzung zum Verwildern und Verwöhnen. Die Wohnung ist ganz schick eingerichtet, für die Verhältnisse, sie ist ein bisschen verlebt, sie ist verwohnt, es wird mit Sarkasmus und Zynismus agiert, mit Aggression, mit Unfreundlichkeit; er wird zum Stadtgespräch, in seiner Kommune zumindest, durch die Obdachlose interessant für seine Kumpels, der alte Mann und der junge Mensch.

Das Schicksal hat an die Tür geklopft, eindeutig, zweideutig, mehrdeutig, es wird überzogen gespielt, bei Evan Rachel Wood klappt es, bei vielen anderen (wie Patricia Clarkson als Mutter bspw.) eher nicht. Die Zeit vergeht, die Situationen ändern sich, die Stadt wird als "dekadent" bezeichnet, die Wohnung als "Rattenloch", ein Film voller Macken, voller Allergien, mit lautem Klamauk und lauter Klamauk, mit schockierenden Fakten. Die nachfolgenden Arbeiten von Allen waren leiser, selbst Midnight in Paris (2011), der im Grunde nur eine Idee hat, die Prämisse nämlich, und sonst eher Nichts ist; das Werk hier lebt von etwas einfachen Flair, von kleinbürgerlichem Milieu, von den Nebenstraßen, von New York als Lebensmittelpunkt, später wird nach Europa gegangen und dort die Hauptstädte begutachtet und darüber sinniert. Gegessen wird oft draußen, auf dem Bürgersteig, selbst Donald Trump als Wachsfigur gezeigt, neben dem Papst, Mohandas Karamchand Gandhi und Reagan, eine passende Mischung, so passend wie der Film, Gut und Schlecht sinnlos durcheinander gewürfelt.

Die Wohnung wird langsam voll und voller, dazu eine gewisse Paranoia, ein voranschreitendes Geschehen, es wird das Japan Film Festival besucht, die Nebenfiguren deutlicher betrachtet, eine zweite Paarung angefangen und eingewebt, dafür ist die Ästhetik der Fotografie zu vernachlässigen, der Film sieht selten nach etwas aus, die anderen sind zuweilen narrativ auch dünn, aber formell höchst attraktiv; "geniale naive Kunst", ohne "exotische Genüsse", keine "Hommage an die Lust.", dafür "pessimistisches Trübsal als Weisheit", und zu guter Letzt ein Pluspunkt, Henry Cavill, ein gutaussehender Sympathikus.

Kurzfassung: Eher Scheiss.
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Irrational Man (2015)
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Erlösende Momente durch Freude und/oder Vergnügen gibt es hier auch, es geht um den irrationalen Mann, er blickt auf sein Leben zurück, er erzählt viel über sich und lässt sich bewundern, den jungen Mädchen vor allem gegenüber, er lebt von seiner Faszination, das Drama selber produziert, die Lobeshymnen werden von anderen aufgenommen oder abgelehnt. Ein Geschlechterkrieg entsteht hier im Nebenher, die Studentin hat einen gleichaltrigen Freund, der nichts mehr hören will über den Neuen. Es geht um kurze Affären, um die Liebe, um das einfach Wahre, die kurze Ablenkung des Orgasmus, die nicht lange genug anhält um durch das Leben fernab von anderen Freuden und Freunden zu kommen. Worauf Allen hinaus will, weiß man hier noch nicht, nicht in den ersten Minuten, nicht in den weiteren Erzählungen, es geht um Heidecker und Faschismus, genau das, was noch fehlt in der Welt, außerdem eine Schreibblockade, das Schreiben als Atmen gesehen, eine Muße gebraucht, die Lösung einer Blockade, sich dem Mann an den Leib geworfen, an seinen Lippen gehangen, dem Freund geht das Thema an die Nieren, er äußert seine Sorgen mehrfach, er wird ungehört, währenddessen der Mann selber impotent und alles andere als eine Granate im Bett ist. Einmal findet eine Party der jüngeren Leute statt, zu denen er eingeladen wird, er sitzt bloß in der Ecke herum, es wird eine Pistole herumgereicht, es gibt aus Pappbechern Alkohol, es geht um das High sein, es wird eine existentielle Lektion beim Russisch Roulette geboten.

Eine 50/50 Chance ist mehr, als die meisten Menschen im Leben bekommen; solche Sätze werden hier erwähnt, die Bücher ein Triumph des Stils, nicht der Substanz, man mag die Komplexität und die Kompliziertheit, der Schmerz und die Sensibilität und die Innovation des Denkens, es geht um die "kreativen Säfte zum Fließen" zu bringen, es wird Geflirtet und das Flirten analysiert, es will geholfen werden, es werden Vorschläge gemacht, die das Leben beeinflussen und Erfahrungen herstellen und widerrufen, es wird sich im Bedrückt Sein entrückt. Einmal geht man an den Klippen spazieren und schaut auf das Meer hinaus, Allen zeichnet sich ein Universum von Personen, von Leid und Verzweiflung und Bezweiflung, er hat überwiegend, aber nicht ständig Phoenix im Fokus, der Film gehört natürlich trotzdem ihm, er trägt seinen Namen, mal wird einem fremden Gespräch und dies länger zugehört, es geht um eine Trennung, eine Scheidung, um das Sorgerecht, um die Befangenheit des Richters; der Professor macht sich dazu seine eigenen und diesmal sehr morbiden Gedanken. Eine Klavierstunde weiter ist man immer noch berauscht von der Herausforderung, man fühlt sich lebendig durch die Vorstellung eines perfekten Mordes, man spricht darüber, im kleinen vertrauten Kreise, das Leben zurückgekehrt durch eine Zufallsbegegnung und der imaginären Beschäftigung mit einem Verbrechen, eine offenkundige Veränderung, eine Wiedererweckung, ein Anpacken statt des Herumjammern, ein Hoch statt ein Tief, es wird geflirtet gar wieder, Allen filmt das, die Landschaft, die Menschen in ihr, die Dialoge intuitiv, es wird der Spätsommer gezeigt, der Beginn vom Herbst, es wird geliebt und diesmal funktioniert 'es', gleich mit zwei Frauen, unterschiedlichen Alters, und dies nicht gemeinsam, "Menschen füllen ihre Einsamkeit mit Klatsch.", es wird der Richter ausspioniert, observiert, eine Obsession betrieben, das fällt selbst der Studentin auf, auch dies erzählt sie uns, Allen schreibt ihre Gedanken auf und lässt uns daran teilhaben, am Glück und am Zufall, an der Liebe und den Affären, an den Träumen und den Plänen, am Spiegelkabinett mit den Zerrspiegeln, vorne die Menschen, hinter das Glitter und der Glitzer.

Zwischendurch wird eine Notbremse gezogen, aus offensichtlichen Gründen, viel zu spät dafür, schon längst die Punkte überschritten; auf der einen Seite zwei Leben studiert, auf der anderen Seite studiert, wie man ein Leben auslöscht, den perfekten Mord, einen mit Gift und Zyankali übrigens, einen getreu der Krimischriftsteller und die der Autoren von Spionageliteratur begeht. Beide Themen werden ab einem gewissen Punkt gleich behandelt, mit derselben Wichtigkeit, schleichen sich im Nachhinein in die Prämisse, getreu und Verderben, ein Crime mit eingeführt, wie Scoop - Der Knüller oder auch Broadway Danny Rose, wie Manhattan Murder Mystery oder Bullets over Broadway, ein neues Lebenselixier im konkreten Vorhaben, die Laufroute des Richters streng nachverfolgt, vom Gedanken zur Tat geschritten, dem Täter direkt ins Gesicht geschaut, Phoenix – in einer Paraderolle – mit dem entscheidenden, nicht siegesgewissen Gesichtsausdruck, eine makabre, paradoxe Situation, ein Schwelgen in Gedichten, im Kerzenschein und in romantischen Gefühlen sowie Momente post-leidenschaftlicher Intimitäten. Sex kommt hinzu als Sinnverleihung, die kreativen Kräfte fließen, die vorherige Depression wird als grotesk im Nachhinein gesehen, eine "verrückte Geschichte". "Ich hab jetzt keine Zeit für eine verrückte Geschichte, aber wir sehen uns noch, ja?" Die Gespräche sind besser und vor allem wichtiger und wandlungsreicher als bei vielen anderen 'neueren' Werken von Allen, man hat einen richtigen Aufhänger, man hat ein Ritual, man hat ein Thema, welches man nicht gleich von vornherein im Kommen und Entwickeln sieht, "Die Polizei ist uns da bestimmt weit voraus.", es geht um Abwehrhaltungen und Fantasien, um Theorien und Disharmonien.
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Cassandras Traum - Cassandra's Dream (2007)
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Viel geht hier den Bach hinunter, in mehrerlei Dingen, vom Boot wird dann nicht mehr gesprochen, auch nicht mehr gezeigt, "Cassandras Traum", eine kurze Auszeit, auf größer gemacht, als man es sich leisten kann. Um Kapitalismus auf andere Art und Weise geht es hier, um Familie, um Bruderschaft, um 'Blut ist dicker als Wein', es wird offenbart und gebeichtet, der Onkel als Kurzbesuch, um Geld angepumpt und auf Knien angekrochen kommend, es wird Schaumschlägerei betrieben, Luftschlösser gebaut, es wird sich entblößt vor dem Bruder des Vaters, es donnert, es fängt an zu regnen. Allen hält die Gespräche für seine Art und Weise knapp und knapper, es wirkt gar nicht wie ein typischer Film von ihm, er erweist sich 'bloß' als geschickter Filmemacher, er zeigt die Männer in Schwierigkeiten, mittlerweile derer drei an der Zahl, alle in Risiken eingegangen, die Grundsätze infrage gestellt, alle drei mit dem Rücken zur Wand, "Er will, dass wir ihn umbringen!", ein Bewegen auf unbekannten Terrain, ein Crime angedacht, die Tragweite ausbreitend in die schiere Unmöglichkeit, die Grenzen gebogen, nicht brechend, ein Tag der zerschlagenen Hoffnungen, für alle drei Beteiligten.

Ab dem zweiten Drittel ist die Katze aus dem Sack, man steht vor einem Problem, es wird an die Gelegenheit herangegangen, ein Thriller (ähnlich zu Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead, 2007) mit leisen Tönen, mit längeren, ruhigen Einstellungen, mit beiden jungen Männern im Blick, oft zusammen, selten einzeln. Die Brüder sind unterschiedlich, eine unterschiedliche Männlichkeit gezeichnet, um richtig oder falsch gestritten, alles durch das Mikroskop betrachtet, die Kleinigkeiten im Augenschein, sich das Opfer mal unter Beobachtung gezogen, es gibt wenig tröstliche Antworten und viele drängende Fragen, zwischendurch wird geblufft und gleichzeitig Schwäche und wenig Stärke gezeigt, man hat nur drei Wochen Zeit für den Job; die eingespielten Szenen aus dem Theaterstück geben dem Film eine zweite Ebene, neue Metaphern und Analogien, eine wunderbare Verdorbenheit, "Arbeiterklasse, aber Klasse", und: "Was haben denn die Herren hier soviel zu bereden? Plant ihr etwa ein Attentat?"

Charaktere sind die Stärke des Filmes, beide Brüder gleich wichtig, die Frauen weniger, sie sind mal da und mal nicht, auch der Rest der Familie wird nur bei Gelegenheiten gezeigt, Farrell und McGregor tragen das Werk auf ihren Schultern, sie haben die Belastung und den Auftrag, dies zu ändern, den Kurs zu wechseln und auch mal gegen den Wind zu segeln,, sich komplett anders als bislang zu geben und darzustellen, Grenzen zu überschreiten, allein schon der Gedanke daran ist für Beide abschreckend genug, das Ausbaldowern erst recht, obwohl man sich noch auf der theoretischen Fährte befindet, ein Gedankenspiel, nicht so überzeugend wie in Irrational Man (2015), wo man aufblühte und das Leben wieder genoss, während man den 'Abgang' eines anderen Menschen plante, hier ist man aus anderem Schrot und Korn; und die Frist wird kürzer, "Heute Abend, geht klar.", ein Thriller erzeugt, mit Motivationen und Stärken und Schwächen der Handelnden als Füller. Dabei lässt man sich Zeit für seine Personen, ihre Zeichnung, die Umstände, die Situation, die Nachfragen, "Was ist, wenn es einen Gott gibt?", "Was ist, wenn wir zu zornig waren?", das Herz pumpt, "Ach, Terry, wir sind am Arsch.", das große Thema Leben, Egoismus, Eigenleben in einem Satz zusammengefasst, die Stränge zusammengeführt, das Wesentliche zusammengerafft.
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Vicky Cristina Barcelona (2008)
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"Wieso nicht?", wird hier gefragt, als die Einladung ausgeschlagen wird, ein sexuelles Angebot, "Was an diesem Angebot hat sie verletzt?", es wird nachgefragt, es wird ein bisschen auf Eile gedrängt, jetzt oder gleich oder nie, ein Disput entsteht zwischen den beiden Frauen Vicky und Cristina, eine findet die Aufdringlichkeit attraktiv, die andere ganz im Gegenteil, will die Freundin aber nicht alleine lassen, sie fühlt sich gezwungen mitzumachen bei dem Abenteuer, eine moralische Diskussion, ein ethischer Disput, es geht um die Liebe und das Drumherum, die unterschiedlichen Geschmäcker, die unterschiedliche Attraktivität und Spontaneität. Der Flug ist schon holprig genug, die Ankunft ist schon etwas edler, es wird über Religiosität gesprochen, über das Leben als Bedeutung, eine Definition eines guten Gastgebers, weiterhin erzählt von einem Erzähler, alles bezaubernd und alles klein, alles mit Skepsis gesehen oder reinem Gewissen, unterschiedlicher Ansicht, eine Ablenkung mit hohlem Sex, eine Verdrängung der Liebe, oder doch eine Verführung, oder doch eine Danksagung, es wird geflirtet, offensiv gemacht, bezirzend gesprochen und gehandelt; Allen gibt hier den Romantiker im Anschein, den Vorläufer eines Liebesfilmes, eine Streicheleinheit zum anderen Werk, direkter und konstruierter, es wirkt gar nicht nach Allen, auch wer der Erzähler ist, weiß man noch nicht, es wäre durchaus wichtig zu wissen, wer hier den Überblick über den Geschlechterkrieg behält und wer nicht.

Fotografiert in Postkartenaufnahmen, viele historische und touristische Panoramen, stets erhellt durch das Sonnenlicht, auf die Ehefrau wird angesprochen, die frühere Geliebte, Cristina ist vergessen, Vicky ist eher der Kumpeltyp und zudem noch und frisch verbandelt, "Dieses Mal genoss sie die Unterhaltung.", nur der Anruf des Freundes, des Verlobten stört. Um Eifersucht geht es auch, um Sorgen zu machen, um Kleinigkeiten, um Lebensbejahung und Lebensverneinung, eingefangen in ruhigen Szenen, in ebensolchen Einstellungen, mit jüngeren Darstellern als sonst, mit einem Ausflug in das Unbekannte und Ferne und Entrückte, in eine andere Sphäre, mit deutlichen Blicke, die offener werden, die Ergriffenheit spürbar, auf die vergangene Frau angesprochen, in die der Mann noch verliebt ist oder auch nicht. Das Gespräch stockt, die Dialoge fallen in den Kitsch, in das Offensichtliche, es gibt den verbotenen Kuss, beim Rest blendet die Kamera weg. Eifersucht taucht bald auf, unter den Freundinnen, ein erneutes Treffen angedacht, diesmal mit der 'Erkrankten', Veränderungen sind eingetreten, Wandlungen für immer, Wendungen nachgegangen und Vergangenem nachgehangen. Im Misstrauen in der Liebe geht es oft bei Allen, um die Suche und das Finden von etwas anderem, um das Fremdgehen, um den schnellen Sex mit einem Fremden, wo der eigentliche Mann an der Seiten schnell vergessen und adieu gesagt wird. Durch die Altstadt wird gewandelt, den Freunden vorgestellt und den Bekannten.

Wohin die Geschichte nun genau will, und was die Darsteller daran reizte, weiß man hier noch nicht, der Autor und Regisseur bleibt weitestgehend an der Oberfläche, er bebildert die Wahrzeichen und erzählt von den Kennzeichen der kleinen diversen Gruppe hier, des unterschiedlichen Trios, von dem immer einer der Dumme sein muss, das fünfte Rad am Wagen quasi, der Ausgeschiedene, der Luftikus. Belastungen und Enttäuschungen und Verletzungen werden hier gemacht, in kurzer Zeit nur, dann kommt endlich der unwissende Verlobte mit in die Geschichte, der Nichtsahnende, der Schreiberling, der seine Muße braucht zum Leben und zum kreativen Sein, es kommt zu ein paar typischen Allen-Dialogen und Monologen, schwer wiederzugeben, gequält, pseudointellektuell, selbstzerstörerisch, mit der Verachtung konventioneller Werte. In der Stadt wird sich herumgekundschaftet, manche Gespräche sind privat, intimer, Missverständnisse werden hier geboten und dargestellt, die Frau, das unbekannte Wesen, hier die erst Routinierte, dann plötzlich die Aufgelöste, eine Minihochzeitsreise in Sevilla als Art Ausflug, luftig frei von puritanischer und materialistischer, kosmopolitischer Kultur, ein Experiment in Fotografie und Schreiben, so wirkt der Film auch, eine chaotische Dreiecksbeziehung, die noch chaotischer wird durch weiteren Zusatz, die Cruz, verkompliziert das eh schon Komplizierte in ein völliges Katastrophenstück, viele weitere Probleme, es wird mit Komplimenten um sich geworfen und was von Balance gesprochen, "Du suchst mich immer noch in jeder Frau.", es wird dramaturgisch eklatanter, es wird spannender, Drei sind Zwei zu viel, mindestens, es werden Geschichten erzielt, es wird gestritten, neurotisch, paranoid, der Unterschied zwischen Talent und Genie, blind vor Wut; die Liebe rätselhafter als je zuvor, in einem großen, mehrstöckigen luftigen Haus gelebt, mit zwei streitenden Parteien, eine Beeinflussung, eine Inspiration, das Glück auf seltsamen Wegen; "Um das zu verstehen, muss man wahrscheinlich Poet sein." Auch die Geschichte von Vicky wird weitererzählt, wieder ein Film Noir gezeigt, Allen großer Fan der Sorte Matinee, Die Lady von Shanghai oft erwähnt, Goldenes Gift, Frau ohne Gewissen, hier Im Schatten des Zweifels, die Geschichte der beiden Freundinnen trennt sich, teilt sich, jede auf ihre Art und Weise beobachtet, eine Akzeptanz von Gaben, die man nicht ausdrücken kann, ein geschwollener kategorischer Imperativ. "Plötzlich hatten Gedanken Vorrang vor Gefühlen."
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Ehemänner und Ehefrauen - Husbands and Wives (1992)
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"Die Handlungen meiner Filme haben nichts mit meinem Leben zu tun."
~ Woody Allen

Das sich trennende Paar selber ist sich einig, man hat sich gemeinsam dafür entschieden, ein Auseinandergehen im Guten, "Wir sind uns einig.", ein "sehr positiver Schritt", "Wir wollen gar nichts groß zerstören.", das eine sich trennende Paar ist (scheinbar) in der Meinung vereint, das andere Paar verstört, zerstört, eine Aufregung herrscht, eine Aufregung, die Kamera hin und her, in der engen Wohnung, Sturm und Drang in der beschränkten Kaschemme, es werden die Personen einzeln beobachtet und genau befragt, Frau Farrow ist zuerst dran, es wird dokumentiert und evaluiert und rezipiert, es wird den Figuren in die Köpfe geschaut, hinter die Augen, den Spiegel der Seele, natürlich liest man etwas in den freudianischen Film hinein, das ist fast zwangsläufig, man muss sich beinahe losreißen davon, loseisen, auf die anderen Darsteller achten, den Pollack bspw., hier vor der Kamera und nicht dahinter, es ist zuweilen gefilmt wie eine Dokumentation, eine Reportage, der Eheleute-Report quasi, zwischen vielen Kopfmenschen, es wird nichts vergessen hier, es wird alles ausgetragen.

Passiv-aggressiv nennt man das Verhalten hier, eigentlich sind alle Menschen hier so, Männer wie Frauen, Ehemänner wie Ehefrauen, getrennte oder geschiedene, es wird selbst im Film über eine Autobiografie geredet, wie eine Vorwegnahme, zurück zum Zitat "Die Handlungen meiner Filme haben nichts mit meinem Leben zu tun.", das noch einmal und dies deutlich in Erinnerung rufen. Wunde Punkte werden hier berührt und getroffen, junge Darsteller vor die Kamera geholt, den Neeson zum Beispiel (und Juliette Lewis sowie Lysette Anthony), Neeson ein Bürokollege, der als neuer Partner auserkoren wird, es wird verkuppelt und Amor gespielt, die Konstellation erweitert, es könnte in das Unendliche gehen, vor und zurück, man könnte ganze Bücher hineinlesen in das Skript und seine Behandlung, es wird gedichtet und im Herbst spaziert, es wird durch New York gegangen und von Paris geredet, viele Umschweifungen, viele Ablehnungen, viele Lokalisierungen, viele Intimitäten, die Kamera wandert einmal durch die Stützpfeiler und den Hindernissen in den Bildern herum, es gibt wieder das Frage-und-Antwortspiel, die Babyfrage steht wieder im Raum, auch die Kupplerfrage, alles ist wie auf glatten und sehr dünnen Eis, zweimal Gefährlichkeit auf einmal, und dies nur in einer einzigen postmodernen Situation.

Darstellerisch werden in dieser abstrakten Vorstellung von Liebe (auf dem Höhepunkt des Trennungskrieges, der Schlammschlacht und Sorgerechtstreites realiter) einige Höhepunkte geboten, zwischen Pollack und Allen im Geschäft – und Pollack und Anthony während und speziell nach einer Party – vor allem, die Anklage und die Erwiderung, Neeson (als "Knilch in deinem Büro") ist rückwirkend betrachtet gleichzeitig die interessanteste Rolle, aber die uninteressanteste Person, ohne Ecken und Kanten, ein Spielball der Geschichte, nicht auf der Suche und auch ungebunden, er versucht sich als Charmeur, ein großer Schlacks, der es zu schnell angeht, dem es zu schnell geht, vor lauter Nervosität, der Dramaturgie auch enteilt und dennoch hinterher eilt, er gehört nicht richtig zur Geschichte dazu, die sich im Übrigen rückwärts dreht, die "komisch-traurigen Kurzgeschichten", mehr traurig als komisch, wenn man an die realen selbstzerstörerischen Ereignisse und den "Männer (und Frauen) in ihrer Midlife-Crisis" denkt; zudem werden auch die nackten Geheimnisse des Universums miteinander gelöst.
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September (1987)
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Manchmal, oft genug schon in den ersten Minuten wird gebeten, sich aus den Dingen herauszuhalten, das Haus ist nicht groß genug, um sich auf Dauer aus dem Weg zu gehen, trotz verschiedener Zimmer und alle mit Türen. Die einen sind Eltern und Kinder, die anderen sind Paare, manche sind nur Gast tatsächlich oder Untermieter, es wird der Liebe nachgehangen, den verpassten Chancen, den nicht gesagtem Worten, den unbeholfenen Taten. Schuld und Sühne wird hier auch gesucht und verteilt, fleißig mit beiden Händen ausgeschüttet, Farrow zieht sich an wie ein "polnischer Flüchtling", dazu die dicke Brille, die Haare länger, im Gesicht. Manchmal wird nur beobachtet und zugehört, es werden Psychiater aufgesucht, man bekommt auch zu Hause Therapien und Sitzungen, "Alt werden ist die Hölle", ein neues Thema für einen Allen, hier mit zum Mittelpunkt gemacht, die fehlende Zukunft, ein weiteres Bestreben. Manchmal werden Komplimente verteilt, eher selten und eher unangepasst, "das Gewitter kommt näher", es wird um einen herumscharwenzelt, mal geflohen, mal versteckt, mal auf- und heimgesucht, mal den anderen mit seinen Gefühlen und Gedanken erschreckt. Um Lebenskunst und Lebenskünstler geht es hier, um Kultur und Verpflichtungen und (einen Lehrling der Schreib)Kunst, es geht um das Tanzen und das Festhalten und ungünstige Momente, es wird kein Klischee ausgelassen und mit allen davon gespielt. Um Aufklärungen und Erklärungen wird hier geredet, man kommt sich näher, man will damit aufhören, bevor es zu spät ist, es kommen noch Gäste, zum richtigen oder zum falschen Moment, je nachdem, wen man fragt, wer hier was zu sagen hat und was nicht.

Ein Empfang steigt oder eher eine kleine Gastfreundschaft, eine Party unter Familien und Bekannten und Nachbarn, eine Frau ist etwas lauter als die Anderen. Jazz und Klassik sind auf der Tonspur, zwischen schlägt der Blitz in den Stromkasten ein, das Licht geht aus, man macht weiter bei Klavier und Kerzenschein. Die Mutter und ihre Lebensgeschichte stehen eingangs im Mittelpunkt des Filmes, ihr Verhalten gezeigt, das mit sich selber und mit anderen reden, schon als Teenager ein Rebell und viel erlebt, viel zu erzählen, viel aufzuschreiben, theoretisch. Beichten werden gemacht, der anderen Figuren, Offenbarungen in dunkler Nacht. Auf den Altersunterschied wird angesprochen, das Timing ist meist ungünstig, jeder in die 'falsche' Person verliebt, jeder einseitig verliebt, Berührungen gesucht, der Himmel klart auf, die Sterne zu sehen, "ein kurzes krampfhaftes Zucken" ist das Universum, eine tiefe und entglittene Wahrheit, eine berufliche Sicht und eine sehnsuchtsvolle durchdringende Anschauung, viel zum Zuhören, viel zum Mitschreiben, fern einer 'richtigen' 'Dramaturgie', das Beschreiben einer längeren Situation, ein Tag und eine Nacht, eine Zeit wie so viele Tage davor und danach, trotzdem etwas Besonderes, da hier die Kamera nah.

Es wird viel getrunken, es werden Dämme gebrochen, in die Intim- und Privatsphäre Anderer eingedrungen, in verletzbare Wesen, "Ich hab schon ein Leben", ein Liebesfilm der anderen Art, als sanftes und gleichzeitig kraftvolles Drama mit vielen Katastrophen hier, als wahrhaftige schmerzhafte Zeichnung, als Geben und Nehmen, als Zweifeln und Verzweifeln, als Gesellschaftsporträt, der Raum ist egal, die Zeit auch, wichtig sind die Figuren, sie könnten auch nackt auf einer leeren Bühne und ohne jedes Material oder Mobiliar stehen; nur die Musik sollte bleiben, die Gespräche, das Elend, die Zweifel, die Fehler begleitend. Zwischendurch geht der Strom wieder an, man hat sich mittendrin mit anderen Gegenständen beholfen, es wurden Gelegenheiten zum Aussprechen gefunden, mal wird sich vor der Haustür getroffen; Bewegungen wie in Zeitlupe und auch so zögernd und zaudernd, an einem anderen Tag wird das Haus von möglichen Kunden, von potenziellen Käufern in Augenschein genommen. Der Preis ist nicht gestiegen, der Preis ist nochmal gesunken. "Peter, der Sommer ist vorbei."; "Die Zeit wird vergehen, und Du vergisst diesen Sommer."
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Stardust Memories (1980)
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Viele Antworten werden erwartet, viele Menschen im Bild, mehr Allen als Rampling, Rampling hervorstechender in der Kameraführung, nicht so umeilt, nicht so bedrängt, nicht so eifrig umschwenkt, mehr in Ruhepositionen eingefangen, in traurigen, in einsamen Posen. Typische Redensarten werden hier geboten, werden gezeigt und feilgehalten, es wird die Vergangenheit und Theorien erwähnt, es wird sich mit der nachwachsenden Generation unterhalten, den jungen Menschen, die ihn vergöttern, die das Neue Hollywood feiern und begehren, die die Nahaufnahmen wollen, die in die Kamera blicken und Worte und Sätze von sich geben, die sich aufdrängen und mitspielen wollen, die keine Nähe und keine Distanz kennen. Beobachtungen werden hier gemacht, die Tendenz zum Schönen bewundert, die Menschen, die man sprechen will, sind eher fliehend, die, die man nicht sprechen will, drängen sich einen auf; das Schicksal des Lebens, das Karma, Glück und Küsse im Film, im filmischen Regen, dazu Aufnahmen, die gestellt sind oder nicht, die improvisiert sind oder nicht, wer weiß das hier schon, so wichtig ist es auch nicht. Rampling behauptet sich neben Allen, trotz mit oder ohne Lithium, sie drückt mehr Sexualität aus als die anderen Darsteller sonst, sie läuft auch freizügiger herum, ein zweiter Spezialeffekt vor einem dritten.

Manche der Frauen haben ein Oberteil mit Allens Porträt an, das sind so die Ausnahmesituationen, viel passiert hier, man fühlt sich müde und nicht in Stimmung, dann wird das Programm unterbrochen, es gibt grundsätzlich verschiedene Szenen hier, "Ihre Filme sind immer psychologisch, nicht politisch.", Narzissmus wird einem vorgeworfen, dann wieder Wortwitz, wieder Pointen, eine Komödie in einem Drama, eine Dramödie, keine Beichte, eher ein Rausch, zu viel Upper und zu wenig Downer, zu viel konsumiert und zu wenig ausgeruht, viel fabuliert, viel ausgedacht, viel angelacht, "Wir haben alle ihre Filme gesehen." - "Alle Scheiße." mitten im Szenario, wildfremde Menschen sprechen einen an, manche wollen etwas loswerden, manche wollen ein Autogramm vom "Meister der Verzweiflung", grundverschiedenes in Text und in der Optik, ein Versuch der Klarwerdung, der Beruhigung, des Sinnierens, mal gibt es Streit, mal gibt es Lobpreisung, die Facetten des Lebens, die Vielfalt der Gestaltung.

Über sich selber und das Wesen an sich wird hier referiert, wird pointiert, wird kommentiert, wird dirigiert und paraphrasiert, ein konstantes Durcheinander, eine durcheinander konsumierte Konstante, mal lustig, meist traurig, oft verwirrt und verwirrend und dennoch geradlinig, mit einem Plot für den Bierdeckel: die Erlebnisse eines Kunstschaffenden kurz vor oder während oder nach einer Krise. Eine Satire, eine Groteske, eine Ozymandias Melancholia, eine Sentimentalität, eine Verhohnepipelung, ein Surrealismus, eine Humoreske, eine Tragödie, ein Liebesfilm, eine "philosophische Schmonzette", zwischendurch wird der eigene Kopf geschüttelt über die Szenen und Sätze, über "das Gerippe mit Brille", über die Liebe, die plötzlich angesprochen wird aus reiner Laune, vorher geht es nur um den Film. Szenen mal kurz und mal lang, die Figuren kaum vorgestellt, eine Schwester gibt es hier, eine Mutter, eine Geliebte, mal der Blick nach hinten, mal nach vorn. Es gibt einen Chauffeur auch, der zwischendurch verhaftet wird, mitten auf dem Highway, ein Film über einen Polizisten auch angeregt von den Beamten, den Film würde man auch anschauen, es wird kein Aktionfilm sicherlich, soviel kann man schon sagen, es wird (trotz rasender Streifenwagen) alles mögliche, aber kein 'normales Werk', es wird am Film herumgepfuscht, an dessen Ende auch noch. In den Jazzhimmel kommt man (dort) zwischendurch auch, "heute beten sie, morgen töten sie", eine grausige Wahrheit, zwischendurch entsteht Grausamkeit aus Wahrheit und Schönheit, von jetzt auf gleich, man bekommt Angst davor, mitten in den Szenen, mitten in den schönen Bildern. Ein Hotel heißt hier Stardust, am Strand gelegen, am Meer, welches man selten in Ruhe beobachten darf – gedreht wurde meist in New Jersey, in der Küstenstadt Asbury Park, in Bradley Beach, und Ocean Grove – , leise Musik zum Ausklingen, gut besucht am Abend, zum ruhigen Tanze; das Hotel spielt keine Rolle im (ruhelosen) Film, es stellt einmal den Hintergrund für ein Gespräch dar, für eine Reflexion, ein leichter Zug von Verlorenheit, die Nerven längst durchgedreht, wie eingangs der in Flammen stehende Backofen, der Spezialeffekt #1 längst niedergebrannt.
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Con Trai
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Re: Woody Allen

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Wonder Wheel (2017)
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Tschechow wird erwähnt, wird gelesen und wird gespielt, früher eher als heute, es gibt Fortschritte, aber es dauert, es wird mal Eis gegessen, um den Kummer des Alltäglichen zu vergessen, Winchester '73 läuft im Kino, würde man auch gerne genießen und sehen, die Kreise klein, "Hamlet und Ödipus" studiert, "Unwissenheit ist keine Sünde", ein Buch verliehen, ausgeborgt, den die Abendschule gegangen, im Jazz vereint, "nett und gebildet", eine psychologische Studie wird verbracht, Gespräche einseitig fast, die Affäre weitergeführt, in Abwesenheit gelebt, körperlich manchmal nur anwesend, dafür die Dekoration aufwändig und fantasievoll, es wird die vierte Wand durchbrochen, Zuneigung zum Zuschauer gesucht, auf die Probleme aufmerksam gemacht, Schicksal gespielt, mit aller Kraft. Fliehen vor dem richtigen Leben tun alle Charaktere hier, ein ständiger Pegel, ein Hin und Her, mehrere Schatten in der Vergangenheit, manchmal eingetaucht in die ganze Welt, manchmal nur abgetaucht in die Abgründe, es wird um sich geschaut, mal ein Meilenstein geschaffen, mal ein Grabstein, etwas Hektik betrieben, sich in etwas verrannt, ein Geburtstag gefeiert, eine runde Zahl auch; allerdings wirkt es seltsam unpersönlich, das hatte manche neue Allen so an sich, wie eine Auftragsarbeit nach der 6. Aspirin, es werden die falschen Sachen der falschen Person erzählt, man spielt im mal roten und mal im orangen und mal im blauen Licht, ein langsamer Wechsel der Farbfilter, die Gesichter der Darsteller im gleißenden Glanze, im schwelenden Neid; hinten dreht sich wie in Zeitlupe das Riesenrad, vorne wird echauffiert, Migräne hat man oft, die Räume sind zu eng.

Das Rummelgeschäft läuft nicht mehr so wie früher, eine Psychiaterin ist nötig, die muss bezahlt werden, es geht um die Zukunft zweier Kinder, "mit Coney Island gehts bergab, wir verdienen kaum noch was", Winslet spielt das kraftvoll, Belushi auch, auch wenn beide nicht zueinander passen, Timberlake als Außenseiter und dennoch Dreh- und Angelpunkt der Geschichte macht das auch gut, "Ich finde diese Unterhaltung geht in eine komische Richtung"; Gefühle statt Vernunft, es wird analysiert, befragt, evaluiert, referenziert, dann der Strand wieder beobachtet und sich an das Publikum gewandt, "das Herz hat seine eigenen Hieroglyphen", es gibt einige eindrucksvolle Promenaden- und Panoramenbilder und längere Einstellungen, längere Kommunikation, viel über das Empfinden gesprochen, erst läuft alles gut, dann nicht mehr. Einen neuen, aktuellen Film von Woody Allen zu sehen, ist immer etwas Seltsames, er wird meist verbucht von den Siebziger über die Achtziger zu Mitte der Neunziger etwa, da auch schon mit leicht abfallenden Werke; die späteren haben einfach ihre Relation etwas verloren, ihren Bewandtnis, den Status, selbst die besser gelungenen wie bspw. Cassandras Traum, der sich nicht verstecken muss, aber in einer anderen Liga gesetzt ist, als er eigentlich spielt. Genauso geht es dieser Arbeit hier, eine durchaus interessante, da auf seine Art und Weise (auf positive Art) verquere Besetzung, dazu die Schaffung eines Ortes, der zu spielenden Zeit schon am Niedergang war, die Jahre der Depression, heutzutage nostalgisch betrachtet und verkannt und verklärt wird, auch in längeren Szenen, in Plansequenzen, mit einem eingängigen Theme gehalten, dass sich als Melodie ins Ohre legt und webt, dazu die Spannungsmomente aufgrund der mafiösen Struktur und der Verstrickung der Personen darin. Trotz allem und trotzdem: ein guter Film, in dem ein Drama auf das andere folgt. Mehr nicht, und weniger nicht. Die englische Fassung ist übrigens zu bevorzugen, die Deutsche klingt nach Alle lieben Jim.
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Re: Woody Allen

Post by Kolle »

Immer wenn ich den Thread.in der Übersicht hochkommen seh', les' ich WOODY ALIEN 🫣
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Re: Woody Allen

Post by Con Trai »

Also zwei Dutzend mal bestimmt noch...
Last edited by Con Trai on Sat Sep 13, 2025 5:50 pm, edited 1 time in total.
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Re: Woody Allen

Post by Con Trai »

Melinda und Melinda - Melinda and Melinda (2004)
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Feingliedrig besetzt und ausgestattet, die Wohnungen geräumig, aber warmgehalten, gemütlich gehalten, voller Leben, voller Schweigen auch manchmal, man hört dem Gerede zu, man weiß nicht, was man sagen soll und es gibt keine Antworten, man braucht keine Gesprächsanalyse hier, über einen Film wird auch gesprochen, "Die Kastrationssonate," 2 Mio. USD fehlen noch für die Budget, zwei Drittel hat man schon, das Abendessen als Spendensammlung, einen Immobilienmilliardär umschwärmt, er soll Finanzier für das fehlende Dritten werden, "Natürlich gibt es Kommunikation. Aber müssen wir darüber reden?" Zuweilen geht es raus aus dem trauten Heim, hinein in New York, die Straßen entlang spaziert, den Figuren und ihrem Gerede gefolgt. Eine Erzählung zwischen Mann und Frau ist dies auch, über die Treue, das Verlangen, die Verlockung, ein fremder Kuss, fast erwischt worden, vom Hausgast, nicht von der eigenen Frau, aber auch die Freundin ist nicht auf den Kopf gefallen; zur Ablenkung geht es in den Central Park, eine urbane Sehenswürdigkeit, hier die Natur eingepflegt, eine Nervosität natürlich auch beizeiten. Ein Film eher der Frauen, die Männer als Anhang, darstellerisch gut gespielt, überzeugend im kleinsten Wesen; dazu wird ein Film gedreht, ein Künstlerviertel manchmal, der Rest die Park Avenue, viel gezeigt von New York vergleichsweise, der treuste New Yorker hier wieder im Heimatland, mehr Allen als zuvor und zwischenzeitlich, fast 80er Jahre mäßig, "Na ist doch gut.", zum Pferderennen nach Belmont wird eingeladen, mal etwas außerhalb der Hochhäuser und der Einfamilienhäuser gefilmt.

In der einen Geschichte kommt man von der Upper East Side nach St. Louis, man fragt nach den Gründen, es geht um Ehebruch und Vernachlässigung und Bedürfnisse, Beziehungen bahnen sich an, die nicht sein sollte, da sie nicht sein dürften, es werden Geheimnisse aufgebaut und diese verschwiegen, eigentlich Kleinigkeiten, die sich bloß hoch aufbauschen können, zu riesigen Betrug und weiterführenden Lügen. Die Frauen sind die Kupplerinnen hier, die Männer auf der Suche nach einer Besetzung, Melinda ist mal mehr und mal weniger beliebt und zugetragen, manche möchten sie lieber loswerden, zuweilen ist sie anstrengend, zuweilen verzweifelt, zuweilen begeistert, jedenfalls eine spezielle Person. Alkohol wird dabei fleißig konsumiert, zum Beruhigen, zum Ängste abdrängen, zum Langeweile überbrücken, dazu wird über Gott und die Welt geredet, Anbahnversuche gemacht und geblockt und verhindert, eine personelle Studie, edlere Partys, dazu viel Honigraspelei, "Ich glaube an die Magie. Letztens Endes ist sie das einzige, was uns retten kann.", zahlreiche Kommunikationen betrieben, öfters als Beobachtungen und Wahrnehmungen, zuweilen schlaue Worte geredet, geflirtet, miteinander ausgetauscht, über die Ambitionen nachgefragt, viele Wünsche und Träume nicht in Erfüllung gegangen, die schlimmsten Probleme hausgemacht, manche haben einen guten Instinkt, andere haben kein Pardon.

Optimismus wechselt sich ab mit Pessimismus, Treffen werden gemacht und auserkoren, manche gehen hinaus in die Landschaft, zu den Hamptons hinaus, in eine riesige Villa, direkt am Meer, direkt am Strand, eine Aufreißergeschichte mit Brolin Jr., den "Ernest Heimingway der Wurzelbehandlung". Manches ist etwas drüber, etwas fern der Realität, ein Film natürlich, keine Dokumentation, es wird in edleren Wohnungen flaniert, ein Loft und Maisonettewohnungen gezeigt, es wird gebeichtet, er wird geleugnet und verleumdet, viele aus der Personenkonstellation hier, mit Zwängen und Ängste, mit mehr Erinnerungen als Gedanken an die Zukunft. Beichten werden gemacht, früh schon, kaum den Anderen, dem menschlichen Beistuhl gekannt, den Kummerkastenonkel; "besten Dank für deinen emotionalen Beistand", eine Abwechslung der Anwesenheit in einem Musikstudio, einer Aufnahme beigewohnt, anschließend geht es in ein dunkles Bistro in Soho, sind wir noch in der Komödie oder schon im Drama oder noch in der Dramödie, Allen fern jeglicher Genrekonvention, viele Blicke, viele Worte, viele Mystik, die richtigen Worte zur richtigen Zeit an die richtige oder doch die falsche Person, ein Glücksfall oder einer mit Pech belegt, es wird die Glückslampe gerieben, so einfach funktioniert das nicht. Das Leben ein komplexes Gebilde, im Auge des Betrachters liegend, hier effizient zwischen Märchen und Humoristika, eine Ausbeutung, eine Maskerade, eine Offenheit dargereicht.
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Re: Woody Allen

Post by Kolle »

Con Trai wrote: Sat Sep 13, 2025 5:46 pm Also zwei Dutzend mal bestimmt noch...
Passt schon. Der Thread hat Bock gemacht die alten Sachen von Allen nochmal zu schauen. Wenn denn irgendwann Zeit dazu wäre..

Mein erster war damals Everything You Always Wanted to Know.. in der ZDF-Synchro. Mich tät mal die Kinofassung interessieren in der Harald Juhnke ihn sprach.
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