Der mutigste Schachzug von WHITE LIE besteht darin, dass - ich denke, das kann man vorwegnehmen - die eigentliche Motivation für die Lüge lange fast völlig übergangen und höchstens fragmenthaft angedeutet wird. Stattdessen komprimiert das kanadische Regieduo den Stoff auf den stündlichen Kampf um die Rettung der erfundenen Wahrheit - und macht aus einfachen Situationen wie dem Abholen von Patientenunterlagen fast schon einen Psychothriller. Dabei wird Kacey Rowls Studentin nicht bloß als amoralische Soziopathin gezeichnet, die mit ihrem zunehmend selbstverschuldeten Unglück die voyeuristische Begierde des Zuschauers befeuert. Auch, weil so viel unausgesprochen bleibt, fühlt man mit - wider besseren Wissens. Damit kommt WHITE LIE den Filmen der Safdies auf psychologischer Ebene sehr nahe, verzichtet aber auf deren reißerische Entgleisungen. Denn Lewis und Thomas wissen, dass bereits die Banalität des Alltags genug Raum für schlechte Entscheidungen bietet.A university student who fakes a cancer diagnosis for the attention and financial gain struggles to maintain her secret.
Dass sich der Film dementsprechend auch mit einem leisen, gezügelten Ende verabschiedet und sich nicht der Theatralik des klassischen Kontrollverlustpornos hingibt, wird nicht jedem gefallen. Ich empfand das als letzte kluge Wahl eines klugen Films.