Superpower (Penn / Selenskyj)
Posted: Sat Feb 18, 2023 12:19 pm
SUPERPOWER (Aaron Kaufman & Sean Penn)
Selenskyj und der Ukraine-Komflikt, erzählt mit den Mitteln des Gonzo-Journalismus von Vice und mit einem Hollywoodstar als Ko-Regisseur und Gesicht des Films - kann das gut gehen?
Zunächst einmal: Das Gesicht ist auf jeden Fall ein Gewinn. Die eindrucksvoll zerfurchte Fresse von Sean Penn, der immer so aussieht, als habe man ihn gerade geweckt, die Stirn in zahllose skeptische Falten gezogen - dieses Gesicht mitten in der erschütterten Ukraine zu sehen, nimmt dem Thema erstaunlicherweise das Abstrakte. Penn, den der Konflikt und Selenskyis Rolle darin sichtlich anfasst, trinkt viel, erst Whiskey, dann immer mehr Wodka, raucht eine Zigarette nach der anderen, schlurft im Hoodie herum, Krawatte trägt er nur rebellisch gelockert und vor Double Denim hat er auch keine Angst. Man kann dem notorischen Overactor vorwerfen, was man will - zum Beispiel sein notorisches Overacting - aber hier macht er eine gute Figur.
Seine Herangehensweise an dieses überaus diffizile und zukunftsentscheidende Thema ist jedoch weniger politisch als emotional; die meisten von ihm geführten Gespräche markuslanzen sich ins Herz des Gegenübers und graben nicht allzu tief in den politischen Verstrickungen der ehemaligen Sowjetunion. Würde man jedes Mal, wenn das unter beflissenen Hollywood-Stars so beliebte Wort "inspirational" fällt, einen Wodka trinken, wäre man nach einer Stunde nicht mehr zurechnungsfähig.
Auch als Filmemacher wählen Penn und Kaufman die am wenigsten subtilen Mittel. Ein omnipräsenter, sehr nach vorne gemischter Trent-Reznor-für-Arme-Score verhält sich über Gebühr suggestiv; das funktioniert in der sehr treibenden ersten Stunde auf typische VICE-Art noch sehr gut, wird aber später, wenn zu Selenskyis Monologen die Synthi-Geigen ausgepackt werden, regelrecht unseriös. Nicht zuletzt deswegen erweist der lebendig gedrehte und komplex montierte, später mitunter wirr geschnittene Film in der zweiten Hälfte der Sache einen Bärendienst.
Richtig stark ist SUPERPOWER, wenn Penn und seine Crew in den Mahlstrom der Geschichte geraten und aus ihrer geplanten Clownerei mit diesem ulkigen Schauspieler-Präsidenten eine eindringliche Reportage wird. Der bis dahin hervorragend erzählte Film bringt einem durch die Verwicklung Penns in den vor seinen eigenen Augen ausbrechenden Krieg sehr nah an die Horrorsituation eines Landes im beginnenden Militärkonflikt. Sein auf die Flucht über die polnische Grenze folgendes Engagement beim medialen Gegner Fox News und deren Aushängedemagogen Sean Hannity wirkt danach fast surreal.
SUPERPOWER beteiligt sich am Ende an der fortwährenden Glorifizierung Selenskyjs, dem sich Sean Penn vielleicht auch persönlich nahe fühlt. Der Einsatz des Schauspielers für den ukrainischen Präsidenten fühlt sich fraglos ehrlich und aufrichtig an. Und was könnte man dagegen haben, wenn eine starke Stimme zur Unterstützung eines gebeutelten Volkes aufruft?